Haaaaaaaaaach, herrlich oder? Endlich ein neuer Präsident. Ein neuer Kapitän an Bord - wir fühlen uns wieder sicher. Wobei der Vergleich mit dem Kapitän eigentlich falsch ist; denn die Kanzlerin steuert schließlich unser Schiff. Aber nichts desto weniger hat sich heute eine Lücke geschlossen. Viele haben sich den Moment herbeigesehnt, in welchem Joachim Gauck zum 11. Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird. Die einen, weil sie endlich einen richtigen Präsidenten haben wollten, der auch unangenehm ist, polarisiert und ermahnt; diesem Lager gehöre ich an. Die anderen, weil sie die ewige Debatte über Sinn und Zweck dieses Amtes, die andauernden Meinungen und Beiträge zum Thema Ehrensold usw. nicht mehr ertragen konnten. Diesem Lager gehöre ich ebenfalls an. Ich möchte hier mal meine Sicht der Dinge über die Ereignisse der vergangenen Wochen zusammenfassen.
Dass ich kein großer Wulff-Fan bin und war, lässt sich sicher aus meinem Eintrag vom 13.01.2012 entnehmen. Dennoch bin ich nach wie vor der Ansicht, dass es nicht richtig war, Wulff aus dem Amt zu jagen. Letzten Endes war die ganze "Causa Wulff" nichts weiter als eine gezielte Hetzjagd, die dadurch entstand, weil verschiedene Tageszeitungen sich gegenseitig mit tollen Schlagzeilen überbieten wollten bzw. dies taten. Vom Hauskredit bis hin zum geschenkten Bobbycar - alles war dabei. Schließlich kam die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragen wolle, was schließlich zu seinem Rücktritt führte. Ein Artikel jagte den nächsten, ein Skandälchen folgte aufs andere, Fernsehreporter huschten hinter Wulff her - das weckt natürlich das Interesse der Staatsanwaltschaft. Eigentlich kam alles so, wie es kommen musste.
Hat Wulff Fehler gemacht? Sicherlich, besonders im Umgang mit der Affäre. Hat er gelogen? Nein, aber er hat auch nicht die ganze Wahrheit erzählt. Schickt es sich für einen Politiker, an jeder Ecke kleine Gefälligkeiten mitzunehmen, nur weil man ist, wer man ist? Keinesfalls, besonders dann nicht, wenn man ein hohes Amt bekleidet. Hätte man ihn, unterstellt, der Wähler hätte gewusst, welches Geschäftsgebaren Wulff betreibt, zum Ministerpräsidenten von Niedersachsen gemacht? Sicher nicht. Gratisurlaube, hier eine Gefälligkeit, da ein kleines Gimmick - das sind alles Dinge, die vielleicht an sich nicht so schlimm sind. Von Spitzenpolitikern wollen wir aber dennoch vorallem eines: Ehrlichkeit. Und war Wulff ehrlich? Aus meiner Sicht nicht. So hatte Wulffs Rücktritt trotzdem sein Gutes. Rechtfertigt dies aber eine mediale Hetzjagd auf das höchste Amt im deutschen Staate? NEIN - zumindest nicht bei solchen Banalitäten. Jeden Tag neue Schlagzeilen, Rücktrittsforderungen aus Opposition und den eigenen Reihen, Demonstrationen, bei denen Menschen ihre Schuhe hoch hielten - das alle zeugt von mangelndem Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten. Das mit dem Schuhe hochhalten ist aus meiner Sicht ohnehin eine Peinlichkeit höchsten Grades: In Ägypten und Libyen nutzten Demonstranten diese Geste, um ihre Verachtung gegenüber einem Despoten zum Ausdruck zu bringen, der Folter, Unterdrückung, Gewalt und Armut über das jeweilige Land gebracht hatte. Wulffs Fehltritte mit denen von Mubarak und Gaddafi zu vergleichen und dieses Zeichen der Verachtung nach Berlin zu importieren ist eine Ungeheuerlichkeit, die weitaus schlimmer ist als ein Gratisurlaub. Dies lässt nicht nur jeglichen Respekt vermissen sondern auch eine gewisse Fähigkeit, bestimmte Dinge zu differenzieren und zu beurteilen. Genauso verhält es sich mit der "Vuvuzela-Aktion" vor dem Schloss Bellevue bei Wulffs großem Zapfenstreich. Man hatte den Eindruck, die Demonstranten seien 16-jährige Schulabgänger beim Abschiedsscherz. Eine echte Peinlichkeit also und typisch deutsch.
Das Interessante an Wulffs Rücktritt war und ist meines Erachtens auch, dass jegliche Berichterstattung über angebliche Vorteilsannahme und dergleichen wie weggeblasen erschien. Stattdessen begann eine rege Diskussion über Ehrensold, Ehre im Allgemeinen und Zapfenstreich. Einem Bericht des FOCUS zufolge sollen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover wesentlich umfangreicher sein, als bisher bekannt war. Dennoch wage ich an dieser Stelle mal die Prognose, dass die Ermittlungen oder vielmehr die mediale Aufarbeitung derer größtenteils im Sande verlaufen werden. Hier und da eine kleine Randnotiz - das war's. Vermutlich wird am Ende nicht viel dabei herauskommen: Wulff ist unschuldig, dennoch war sein Verhalten unmoralisch, Deutschland schüttelt nochmal mit dem Kopf und das Thema hat sich erledigt.
Was bleibt also? Ein neuer Präsident natürlich, welcher schon vor knapp zwei Jahren mein Favorit war. Ich habe mich heute wirklich gefreut, dass Joachim Gauck dieses Amt übernehmen darf. Endlich haben wir wieder, so hoffe ich zumindest, einen Mahner. Einen, der Menschen wach rütteln und die Politik kritisieren kann und wird. Natürlich sollte man ihn nicht vorab zum Helden küren, das könnte bittere Enttäuschungen mit sich bringen. Ich glaube aber dennoch, dass Joachim Gauck der bessere Präsident ist und ziehe so eine positive Bilanz aus der ganzen nervenaufreibenden Diskussion der letzten Wochen und Monate. Und hoffentlich wird die Medienwelt nun auch wieder andere Themen entdecken. Haben Sie eigentlich schon mal wieder etwas von der "Costa Concordia" gehört?
Bis zum nächsten Dauerthema
Kai
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen