Freitag, 20. Januar 2012

Die Sache mit den Schuhen auf der Autobahn

Irgendwie sind sie jedem schon aufgefallen, aber so richtig Gedanken macht sich niemand darüber. Sie sind eine Erscheinung, einfach da, so wie ein Hundehaufen im Stadtpark oder ein zerknickter Regenschirm, der aus der öffentlichen Mülltonne ragt. Ich spreche von Schuhen. Nicht die, die sauber und gepflegt im Geschäft stehen oder die, die wir an den Füßen tragen und natürlich auch nicht die, die gerne in die Luft gehalten werden um "Verachtung" zu zeigen. Nein, hier geht es speziell um die Schuhe auf der Autobahn. Da ich täglich auf der Autobahn zur Arbeit fahre, fallen mir immer wieder herrenlose Schuhe auf. Sie liegen einfach da als hätten sie schon immer da gelegen. Meist sind es einzelne Exemplare, niemals Paare; mal ein einzelner Stiefel, mal ein Turnschuh, ein Badelatschen manchmal auch ein ziemlich alter abgetragener Lederschuh, der aussieht als könne er vom Krieg erzählen und dass man damals nichts hatte. Man sieht sie auch fast ausschließlich auf Autobahnen, kaum aber auf Landstraßen. Da findet man höchstens Pfandflaschen im Straßengraben, einen abgefahrenen Spiegel (und damit meine ich kein Nachrichtenmagazin) oder hier und da auch mal eine tote Katze mit diesen schönen offenen fleischfarbenen Wunden. Nein - Schuhe gibt's nur auf Autobahnen.

Ich frage mich dann immer, ob das wohl ein linker oder rechter Schuh war, an dem ich gerade vorbei gebraust bin, welche Schuhgröße das war und: wie mag wohl der Mensch aussehen, der ihn einst trug? Wenn ich mir diesen Menschen dann so vorstelle, frage ich mich weiter, wann und wie er bemerkte, dass sein Schuh abhanden gekommen war und wie es ihm dabei erging. Hat er's gleich gemerkt? Oder erst 100 km später? Hat er gesagt "Hoppla! Jetzt hab' ich meinen Schuh verloren; der liegt jetzt auf dem Asphalt und wir können nicht umkehren"? Das mit dem Umkehren wäre zumindest ein guter Ansatz für die Erklärung, warum es so häufig Geisterfahrer gibt. Klare Sache: Da hat mal wieder so ein Depp beim Fahren einen Schuh verloren und ist dann umgekehrt um ihn zu holen - damit es keine kalten Füßchen gibt. 

Doch nun tut sich die wichtigste Frage überhaupt auf: Auf welche Art und Weise hat sich der Vorgang des Verlierens zugetragen? Wie um alles in der Welt kann man mitten auf der Autobahn quer durch die Pampa einen Schuh verlieren (falls man überhaupt so ohne Weiteres einen Schuh verlieren kann - in der Stadt, im Wald, im Kino oder sonst wo passiert das ja vergleichsweise selten)? Zudem könnte es sich ja zur Abwechslung auch mal um einen Schal handeln, der da so herrenlos auf der Autobahn herumliegt, ein Hut vielleicht oder eine Jacke, eine Mütze - so etwas in der Art eben. Aber die Kleidungsstücke, die man relativ leicht verlieren kann, sieht man merkwürdigerweise nie auf der A9. Ein Phänomen auf das man die Reporter von "Galileo"  mal ansetzen sollte - da würde ich die Sendung sogar mal kucken.

Wenn man sich mit Anderen darüber unterhält kommt häufig als Erklärung: "Vielleicht fahren da ja im Sommer Leute auf dem Beifahrersitz mit und halten zur Kühlung die Füße aus dem Fenster und der Fahrtwind...." und so weiter und so weiter. Klar, im Sommer macht das fast jeder. Man sieht ständig offene Autofenster, aus denen Käsefüße heraus ragen, ein Klassiker. Vielleicht hat es damit aber auch eine andere Bewandtnis. Möglicherweise sind das Zeichen? So eine Art Schnitzeljagd für Erwachsene durch die gesamte Republik? Oder stecken die Illuminaten dahinter? Könnte es aber auch sein, dass ein Autofahrer seinem Ärger über das rücksichtslose Verhalten von so vielen LKW-Fahrern Luft gemacht hat, in dem er seinen Schuh aus dem offenen Fahrerfenster gehalten hat um diesem dann seine Verachtung zu zeigen, so wie das offenbar inzwischen Mode geworden ist, welcher ihm dann aus der Hand rutschte? Oder kann es auch Verachtung gegenüber der Autobahn selbst gewesen sein wegen der vielen Staus? Manche sagen, diese Schuhe blieben übrig nach schweren Unfällen mit Toten und Verletzten. Das müssen aber ganz schön viele derartige Unfälle sein. Verliert man bei einem Unfall seinen Schuh? Ziehen die Rettungskräfte einem Schwerverletzten einen Schuh aus? Oder einem Toten? Und wozu dann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich dabei um eine Art Mahnmal handeln soll, ich glaube dafür sind die Kreuze da. Nein nein, bestimmt werden den Toten, nachdem man sie mit einem weißen Tuch bedeckt hat, die Schuhe ausgezogen, damit die Seele raus kann. Wieder Andere vermuten, dass es sich um die Treter von LKW-Fahrern handelt. Nein, nicht weil den PKW-Fahrern diesmal Verachtung gezeigt wurde (was aber durchaus im Bereich des Möglichen liegt), sondern weil LKW-Fahrer offenbar immer mit mehreren Schuhpaaren unterwegs sind. Man sagt ja nicht umsonst "Berufskraftfahrer sind die Frauen unter den Männern". Der (hunds)gemeine Kraftfahrer an sich fährt gern mit Sandalen, oder diesen schicken LKW-Pantoffeln, die man für 100 Äpfel und 100 Eier an jeder Tanke kaufen kann. Beim Aussteigen dann, sei es zum Pinkeln, oder für einen kurzen Fahrzeug-Check ziehen sie sich dann andere Schuhe an. Verständlich. Wenn man mal raus geht, zieht man sich schöne Schuhe an, das macht man eben so. Es gibt auch Menschen, die meinen, es könnte sich bei den Autobahnschuhen um eine Werbemaßnahme von RENO oder Deichmann handeln. Eine Art "Product Placement im echten Leben" gewissermaßen. Möglich ist alles.

Was immer es mit diesen ganzen herrenlosen Latschen auf sich haben mag - irgendwann, so hoffe ich, wird ein gelangweilter Rentner all jene einsammeln und ganz nach Aschenputtel-Manier ihren Besitzern wieder zurückbringen. Wem der Schuh passt, der darf ihn behalten. Sollte sich der Schuhträger dennoch nicht finden, so gäbe es noch Lösungsansätze für die Anhängerkupplung am Auto. Man könnte so einen Schuh wunderbar über den Kugelkopf stülpen.

Zugegeben, es gibt wichtigere Fragen im Leben, aber ab und an mache ich mir eben auch über die ganz banalen Dinge des Alltags Gedanken.

Quelle: http://www.sbk-markt.de

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